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Tögel / Schröter / Pölzl: Drei neue Arbeiten zu Hermann Swoboda

Christfried Tögel, Michael Schröter: „Sigmund Freud und Hermann Swoboda: Unveröffentlichter Briefwechsel“. In: Psyche 56 (2002), H. 4, S. 313 - 337. / Michael Schröter: „Fließ vs. Weininger, Swoboda und Freud: Der Plagiatsstreit von 1906 im Licht der Dokumente“. In: Psyche 56 (2002), H. 4, S. 338 - 368. / Burkhard Pölzl: Hermann Swoboda. Eine biografische Arbeit anhand von Akten. Phil. Dipl. Wien 2002.
 
Als die Heimito von Doderer-Gesellschaft im 1. Band ihrer Schriften den Briefwechsel zwischen Doderer und Hermann Swoboda veröffentlichte, hieß es im begleitenden Aufsatz: „Nur im Zusammenhang mit den Werken Heimito von Doderers lohnt es sich heute, über Hermann Swoboda nachzudenken.“ Dieser Satz ist nun durch einige Publikationen der letzten Zeit, die Edition des Briefwechsel zwischen Swoboda und Freud durch Christfried Tögel und Michael Schröter sowie den Aufsatz „Fließ vs. Weininger, Swoboda und Freud: Der Plagiatsstreit von 1906 im Licht der Dokumente“ von Michael Schröter, zumindest teilweise widerlegt.
 
Die Briefe wurden offenbar sorgfältig ediert, die nötigen Kommentare als Fußnoten hinzugefügt. Der anschließende Aufsatz „untersucht, was man in der Substanz über Recht oder Unrecht der Fließschen Vorwürfe gegen Weininger, Swoboda und Freud sagen kann“, wobei es dem Autor um eine Neubewertung der Rolle Sigmund Freuds in diesem Konflikt geht. Daß diese gelingt, ist vor allem auf eine kunstvolle Verknüpfung von Indizien zurückzuführen, da auch der Briefwechsel mit Swoboda keine wesentlich neuen Erkenntnisse enthält. Im Zuge dieser Beweisführung arbeitet Schröter klar heraus, auf welch unterschiedliche Weise Weininger und Swoboda sich der Theorien von Wilhelm Fließ bedienen und worin der wesentliche Unterschied zwischen der Periodenlehre von Fließ und jener von Swoboda besteht. Swoboda wird vom Vorwurf des Plagiats weitgehend entlastet, Fließ als Paranoiker bezeichnet - trafen hier also zwei Paranoiker aufeinander?
 
Eine Diplomarbeit der Universität Wien ist nicht einer Episode im Leben Swobodas gewidmet, sondern diesem Leben selbst: „Hermann Swoboda. Eine biografische Arbeit anhand von Akten“ von Burkhard Pölzl. Der Titel sagt bereits, was die Arbeit nicht ist: nämlich eine Biographie. Der Autor zitiert zwar ausführlich aus dem schriftlichen Nachlaß Swobodas und aus dem Personalakt der Universität Wien, er fügt auch historische Überblicke und reichlich Bildmaterial hinzu, es gelingt ihm jedoch nicht, aus dieser Materialfülle ein Bild der Persönlichkeit zu entwerfen oder gar diese Persönlichkeit in ihr geistiges und kulturelles Umfeld einzubetten.
 
Das Interesse des Lesers wird zudem durch Pölzls nachlässigen Umgang mit der Sprache gedämpft. Hier ist von Forschern die Rede, „die sich mit Ruhm bekleckert haben“ (S. 5), und über Swobodas Vater lesen wir, er habe seine Frau mit Morphiumspritzen behandelt „und lernte ihr auch den Umgang damit“ (S. 13). Auch der Abdruck der Quellentexte ist nicht immer so sorgfältig, wie man es wünschen würde. Als willkürliche Stichprobe wurde das Dokument 1027-1906/1907 aus Swobodas Personalakt ausgewählt (vgl. S. 69f.) und anhand der dem Rezensenten vorliegenden Kopie des Dokumentes überprüft:
 
„In Beantwortung einer Anfrage mittels h. Erl. des k.k. Ministeriums vom 9. Dezember [recte Dezemb.] 1906, Z. 44.210 beehrt sich das medizinische Professoren Kollegium seine Äußerung [recte Aüßerung] dahin abzuzielen [recte abzugeben], daß in voller Übereinstimmung [recte Uebereinstimmung] mit den Anschauungen des philosophischen Professoren Kollegiums die Heranziehung abnormer, pathologischer Vorgänge des Seelenlebens für das Verständnis des normalen Ablaufes der psychischen Prozesse notwendig und daher [recte notwendig, daher] für ein gründliches und umfassendes Studium der Psychologie nahezu unentbehrlich sei; es gilt dies in gleicher Weise wie bei [recte von] den elementaren Störungen - den Anomalien des Empfindens, der Aufmerksamkeit, des Gedächtnis, wie etwa dem [recte von] der Aphasie, dem Hypnotismus u.s.w. [recte: u. A.]“
 
Es mag eingewendet werden, daß diese Ungenauigkeiten nicht sinnentstellend sind - in einer Arbeit, die sich das Ziel setzt, biographische Materialien zu präsentieren, sollten Dokumente allerdings exakt wiedergegeben werden. Ähnliches gilt für das Protokoll der philosophischen Fakultät vom 7. Februar 1908 (687-1907/08, vgl. S. 71ff.), von dem behauptet wird, es sei stellenweise unleserlich. Der Rezensent könnte aus der ihm vorliegenden Kopie die Leerstellen unschwer ergänzen. Und schließlich heißt Swobodas letzte Buchveröffentlichung nicht „Arminius Libertus“, wie Pölzl auf S. 150 behauptet, sondern Epigramme. Wird hier wirklich der latinisierte Autorenname mit dem Titel verwechselt?
 
Diese und eine Fülle weiterer Ungereimtheiten machen die Lektüre zu einer mühsamen Tätigkeit, zumal man am Ende trotz des umfangreichen Quellenmaterials nicht mehr weiß, als was aus Band 1 der Schriften der Heimito von Doderer-Gesellschaft schon seit Jahren bekannt ist.
 
Reinhold Treml

Mail an den Rezensenten

Erschienen in: Gassen und Landschaften: Heimito von Doderers „Dämonen“ vom Zentrum und vom Rande aus betrachtet. Hrsg. v. Gerald Sommer. Würzburg 2004 (Schriften der Heimito von Doderer-Gesellschaft; 3), S. 486ff. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages.

Copyright © Verlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg 2004.

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