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Studia Austriaca VII (1999)

Studia Austriaca VII (1999). Hrsg. v. Fausto Cercignani. Milano: CUEM 1999. 230 S., Broschur, EUR 13,-

Der vorliegende Band enthält neben drei Studien zu Doderer, die 1996 als Referate auf dem Doderer-Symposion in Rom gehalten wurden, Beiträge u. a. zu Franz Werfel, Stefan Zweig, Rainer Maria Rilke, Rudolf Kassner, Robert Musil, Franz Blei und Peter Handke.

Der erste Beitrag, "Doderer und das Verbrechen" (S. 131 - 141) von Wendelin Schmidt-Dengler, betrachtet das Motiv des Verbrechens, das Doderers Werk von der Bresche bis hin zum Grenzwald durchzieht. Die Figur des Verbrechers findet sich zahlreich in den Dramen des Expressionismus und erlebt ihren literarischen Höhepunkt mit der Gestalt des Moosbrugger in Musils Mann ohne Eigenschaften. Bei Musil wie auch bei manchen Figuren Doderers fungiert das Verbrechen als Gegenstück zur bürgerlichen Norm und repräsentiert außerdem - in paradoxer Zuspitzung - die Möglichkeit zur ungebundenen persönlichen Entfaltung des Individuums.

In einem am 8. Januar 1928 in "Der Tag" erschienenen Essay über den Kindesmörder Gilles de Rais differenziert Doderer zwischen dem Verbrechen der Gegenwart und jenem der Vergangenheit und bestimmt als Merkmal des gegenwärtigen die Schwäche. Schon in diesem frühen Text verweist er auf die Trägheit, die - wie Schmidt-Dengler zeigt - auch ein wesentliches Merkmal vieler Figuren aus den späteren Romanen des Autors ist. In diesem Sinne prototypisch ist wohl das Verbrechen in Ein Mord den jeder begeht, das vor allem eine Folge des fatalen Opportunismus des jungen Conrad Castiletz ist. Gerade der Titel dieses Romans, der eine allgemeine Mitwirkung am Verbrechen suggeriert, erklärt die Tragweite des Verbrechens in der Anschauung Doderers: es wird zum Sinnbild einer allgemeinen Anfälligkeit gegen solche Momente "des geringeren oder gar geringsten Widerstandes" (S. 137), in denen die Unaufmerksamkeit, die Verirrung oder die Schwäche das Unglück befördern.

Schmidt-Dengler erinnert auch an den Konnex zwischen dem Verbrechen und der Heimkehr aus dem Krieg, der nicht wenige Werke Doderers kennzeichnet. Schon Gilles de Rais war ein Kriegsheimkehrer, und vor dem Hintergrund des russischen Bürgerkriegs entwickelt sich das Verbrechen in Das Geheimnis des Reichs. Zudem zählen Nachkriegszeiten zu den Phasen in der Geschichte, in denen das Gesetz noch nicht wiederhergestellt ist und in denen das Verbrechen leichter stattfinden kann. Ausführungen zum ",großen Verbrecher aus kleinlichen Motiven'" (S. 140), gemeint ist die Figur des Zienhammer aus Doderers letztem, Fragment gebliebenem Roman Der Grenzwald, beschließen diesen Überblick über das Motiv des Verbrechens.

Der zweite Aufsatz, "Heimito von Doderer. ,Il caso Gütersloh'" (S. 143 - 151) von Gabriella d'Onghia rekonstruiert das komplexe und widersprüchliche Verhältnis zwischen Doderer und Gütersloh, von Doderers begeisterter Lektüre der Tanzenden Törin im sibirischen Kriegsgefangenenlager bis zu seinem Bruch mit Gütersloh nach erfolgter Karikierung als Ariovist von Wissendrum in Sonne und Mond. Der Aufsatz beschreibt die Spannungen zwischen den beiden Autoren und zeichnet das Bild einer Beziehung, die stets von einer heute schwer nachvollziehbaren Unterordnung des jüngeren Schriftstellers unter den ,verehrten Lehrer' geprägt war. Auf den ideell-intellektuellen Austausch der beiden Autoren geht d'Onghia in ihrer primär biographisch orientierten Darstellung des Falles Gütersloh bedauerlicherweise nur am Rande ein; eine Zusammenfassung der diesbezüglichen Erkenntnisse aus Reinhold Tremls (noch nicht ins Italienische übersetzten) Edition des Briefwechsels Doderer - Gütersloh wäre gewiß zu begrüßen gewesen.

Im dritten Beitrag, "Heimito von Doderer. Apperzeption - Vorsehung - Glück" (S. 153 - 171), versucht Anton Reininger eine Synopse seiner zentralen Thesen zu Doderers Œuvre aus den 70er und 80er Jahren und unternimmt dabei eine Synthese von Ideologiekritik (Die Erlösung des Bürgers, 1975) und Glücksthematik ("Das Glücksversprechen einer konservativen Utopie", 1986) anhand der für Doderers Weltsicht wesentlichen Begriffe Apperzeption und "zweite Wirklichkeit". Dabei unterlaufen dem Autor zuweilen Flüchtigkeiten wie etwa die, daß die "Strudlhofstiege [...] an die achthundert Seiten" (S. 154) erreiche oder daß Doderer erst im Jahre "1956" (S. 168) die Arbeit an den Dämonen wieder aufgenommen habe, die aber den Gesamteindruck dieser großangelegten Synopse kaum zu beeinträchtigen vermögen.

Gerald Sommer

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Erschienen in: "Schüsse ins Finstere". Zu Heimito von Doderers Kurzprosa. Hrsg. v. Gerald Sommer u. Kai Luehrs-Kaiser. Würzburg: Königshausen & Neumann 2001 (Schriften der Heimito von Doderer-Gesellschaft; 2), S. 271f. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages.

Copyright © Verlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg 2001.
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