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Rudolf Haybach 1886 - 1983.

Rudolf Haybach 1886 - 1983. Eine Schlüsselfigur in der österreichischen Kulturgeschichte. Hrsg. v. Gerlinde Michels. Wien, Köln u. Weimar: Böhlau 2000. 223 S., Broschur, EUR 39,80
 
Rudolf Haybach war der erste, fast ließe sich sagen: schicksalhafteste Verleger Heimito von Doderers. In Haybachs eigenem, 1921 gegründeten Einmannverlag erschienen Doderers literarische Debüts: als Lyriker (Gassen und Landschaft, 1924), Prosaschriftsteller (Die Bresche, 1924) und Essayist (Der Fall Gütersloh, 1930).
 
Doch Haybachs Bedeutung für Doderer war größer: 1937 - noch vor Auflösung des eigenen Verlags im Jahr 1940 - gelang es ihm, die C.H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung für Doderers Werk zu interessieren. Er vermittelte den Kontakt zum künftigen Lektor Horst Wiemer und stellte damit die Weichen für Doderers literarisches Überleben. Ohne den bis heute treu zu seinem Autor haltenden Verlag wäre der Fall Doderer heute möglicherweise erledigt. An der Wirkungs- und Überlieferungsgeschichte Doderers hat Haybach somit einen bleibenden Anteil.
 
Doderer war dem um fast zehn Jahre älteren Haybach im Kriegsgefangenenlager von Krasnojarsk (1915 - 1920) begegnet. Hier entstand Haybachs Idee eines eigenen Verlags; erste Drucke wurden mit einer selbstgefertigten Rotationspresse noch im Lager hergestellt. Ursprüngliches Ziel des Verlags war es, die Werke des Malers und Holzschnitt-Künstlers Erwin Lang herauszubringen. Hiervon emanzipierte sich das Projekt rasch. Insgesamt 17 Bücher und Mappen publizierte Haybach von 1922 bis 1930, darunter Werke von Richard Billinger (Lob Gottes, Erzengels Morgenruf, 1924), Lilly Steiner und Albert Paris Gütersloh (Kain und Abel, 1924). Die Auflagen waren klein, die Einkünfte verschwindend. Immerhin sollen von Doderers Bresche - Haybach zufolge - an die 1000 Exemplare gedruckt worden sein. Die letzte Publikation, Doderers Fall Gütersloh, bedeutete für den Verlag das finanzielle Aus. Er hat danach nur noch auf dem Papier existiert.
 
Haybach war selbst auch literarisch tätig, so mit den Wiener Historien (1940) und deren Nachfolgeband Unter gotischen Dächern - Sagen und Legenden aus dem alten Wien (1941), die indes nicht im eigenen Verlag erschienen. Zeitweilig war er Stellvertreter der NS Kulturgemeinde in Österreich, 1938 auch Leiter der Abteilung „Kunst und Theater“ in der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) sowie Kommissarischer Leiter der Österreichischen Kunststelle. Mit Doderer und Gütersloh verbindet Haybach jene zeitweilige, ideologische Nähe zum Nationalsozialismus, die jede Beschäftigung mit diesen Autoren seither belastet.
 
Die mitunter problematischen Aspekte eines mehr als 96-jährigen Lebens verschweigt der großzügige, von Gerlinde Michels herausgegebene Text- und Bildband nicht. Das Buch setzt sich zum Ziel, den Bautechniker, Zeichner, Maler, Theaterleiter, Verleger und zeitweiligen Generalsekretär der Wiener Secession in der Fülle seiner Talente und Funktionen darzustellen. Neben ausführlichen biographischen Notizen (S. 13 - 108) und Würdigungen von Haybach als Maler und Zeichner (S. 127 - 136) nimmt die Abbildung graphischer Frühwerke (S. 137 - 174) und einiger Aquarelle und Gemälde (S. 175 - 211) breiten Raum ein. Murray G. Hall widmet sich der Darstellung der Geschichte des Haybach Verlags (S. 120 - 126).
 
Bereits Elfriede Bruckmeiers Vorwort qualifiziert Haybach als „eine[n] der letzten Universalisten“ (S. 9). Daß er eine „Schlüsselfigur in der österreichischen Kulturgeschichte“ zumindest der unmittelbaren Nachkriegszeit war, läßt sich - auf dem schmalen Grat des nach dem Kriege noch erhaltenen intellektuellen Lebens in Österreich - kaum bestreiten. So organisierte Haybach nach 1945 maßgeblich den Wiederaufbau der (dem Abriß geweihten) Ruine des Wiener Secessionsgebäudes. 1954 wurde er Direktor der Secession. Schon als Leiter des Wiener Theaters „Die Komödie“ (1939 - 1941) und des Volkstheaters (1941 - 1943) hatte er das Kulturleben der Kriegszeit mitgeprägt; er engagierte den späteren Burgtheater-Star Josef Meinrad für erste wichtige Rollen. Seit 1969 arbeitete Haybach an einem eigenen, Hunderte von Ölgemälden und Zeichnungen umfassenden bildnerischen Œuvre. Es zeigt ihn als einen naiven Maler auf den Spuren Cézannes und van Goghs.
 
Der durch einige Texte Haybachs und Güterslohs, durch Bibliographien, Zeittafeln und ein Ausstellungsverzeichnis ergänzte Band stellt die wohl erste umfassende, beinahe erschöpfende Beschäftigung mit Rudolf Haybach dar. Er bietet die - oft emphatische - Nahsicht auf einen Mann, von dem die Geschichte Doderers nicht zu trennen ist.
 
Kai Luehrs-Kaiser

Mail an den Rezensenten

Erschienen in: Gassen und Landschaften: Heimito von Doderers „Dämonen“ vom Zentrum und vom Rande aus betrachtet. Hrsg. v. Gerald Sommer. Würzburg 2004 (Schriften der Heimito von Doderer-Gesellschaft; 3), S. 485f. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages.

Copyright © Verlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg 2004.

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