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Wolfgang Max Stummer
(6. Juli 1917 - 3. Juli 2008)
Ein Nachruf

W. Stummer (Foto: M. Girardi)Wolfgang Max Stummer ist am 3. Juli 2008 gestorben.

Am 6.Juli 1917 als Sohn Astri von Doderers und Hans von Stummers geboren, haben die Vorkriegszeit und die Kriegsjahre Entwicklung und Ausbildungsweg turbulent beeinflusst, als junger Soldat lernt er seine spätere Frau, Berti Mayer, kennen. Der 2. Weltkrieg bringt ihn für vier Jahre in russische Gefangenschaft. Als er endlich heimkehrt, ist er nicht mehr nur der zwanzig Jahre jüngere Neffe Heimito von Doderers, sondern auch dessen Schicksalsgenosse. Der Dichter war während des ersten Weltkrieges zwischen 1916 und 1920 Kriegsgefangener im zaristischen, später kommunistischen Russland gewesen und diese Erlebnisse hatten ihn nie losgelassen. Nun, mit und aus den Erzählungen des Neffen, erwachen diese Jugenderinnerungen und wollen Text, wollen endlich ein Roman werden.

Im Gasthaus „Zum wilden Mann“ in Wien muss Wolfgang Stummer ihm wiederholt von seinen Eindrücken erzählen. Es gilt, die stofflichen Parallelen in beider Gefangenschaften zu erfassen. Beiden war eine tiefe Liebe zu den Russen, zum russischen Wesen geblieben. Der Impuls für den Titel „Roman No. 7“ stammt vom jungen Stummer, der ihre Verbindung rückblickend wörtlich als „phantastische Freundschaft“ bezeichnet.

Viele Sommermonate verbringen sie gemeinsam im Familienkreis in der Prein auf dem Riegelhof, Bogen schießend, badend, spaßend, in Gesellschaft und Natur und hier kommt es etwa auch dazu, dass in persönlichen Gesprächen über unmittelbare gemeinsame Beobachtungen der weißen Felszackenkämme der Rax die Drachengeschichte des „Letzten Abenteuers“ entsteht.

Wolfgang Stummer erlebt das Entstehen von großer Dichtung aber durchaus nicht nur als Abenteuer, er nimmt dies als Verantwortung wahr: Jahre lang lebt er mit seiner Frau und seinen Töchtern als Beamter des Landesarbeitsamtes Niederösterreich und Schöpfer und Betreuer des „Arbeitsmarktanzeigers“ in Wien, bis die Familie in den späten siebziger Jahren auf den Riegelhof zieht. 1989, nach dem Tod seiner Mutter, übernimmt er das wunderbare, an Erinnerungen überreiche, alte Haus allein, beginnt behutsam es zu erhalten und es gelingt ihm eine liebevolle Verbindung zwischen belebtem, gemütlichem Familienheim und musealer Konservierung.

Auch den schriftlichen Nachlass seiner Mutter, sämtliche „Riegelhofensia“, hegt und pflegt Wolfgang Stummer aufs Akribischste, er sortiert, legt ab, sammelt Altes und Neues, von Lenau bis Doderer reicht dabei sein Blick. Und er ist dabei ganz offen für neue und junge Forschungsarbeiten und Projekte. Er stellt sich zur Verfügung mit allem, was er weiß, was er sich gemerkt hat, er lässt sich befragen, er fördert, ermutigt, ermuntert und öffnet sein Haus allen, die sich ehrlich interessieren, mit offenen Armen. Er empfängt, heißt Willkommen, verschließt sich nicht, bis zum Schluss.

Wer vergisst jemals einen Besuch auf dem Riegelhof?

Wolfgang Stummer als Reinkarnation Doderers zu bezeichnen, griffe entschieden zu kurz, so sehr er dem Dichter auch äußerlich ähnelte, so sehr er auch in der Obsorge für den Riegelhof und die darin konservierten literarischen Reliquien aufging.

Er war gerade darin einer der „eigen-artigsten“ Menschen, die ich kennen lernen durfte, von weitausgreifenden Herzlichkeit, kristallener Konzentration, sprachlicher Brillanz, scharfem Humor, klarer Weltsicht, umfassendem Interesse, großer Gebildetheit und ebenso großer Bescheidenheit und mit den wunderbarsten Augen und Händen, die ein alter Mann nur haben kann.

Grandseigneur in Gummistiefeln, so habe ich ihn vor Jahren kennen gelernt: Herzklopfend hatte ich mich mit Studenten an den Riegelhof angeschlichen, die Stimmen aller Warner im Ohr, die mir abgeraten hatten, solches zu tun. Das sei Privatgrund, die Besitzer nähmen dieses Wort ernst, man gehe besser nicht uneingeladen dort hin. Und natürlich passierte es dann prompt: Wir wurden entdeckt, am Fuß der Wiesenstiege gestellt und als regennasser Wurm von Doderer-Interessenten hinaufgebeten, mit lauten Rufen und markantem Winken und freundlichst empfangen, aufgefordert sogar, wiederzukommen.

Es folgten viele weitere Besuche, mit Freunden, Studenten, Lehrerkollegen, mit Familie, in Regen und Sonne, Winters und Sommers, als reiner Gast und Genießerin der himmlischen Jausen zunächst, später als Forscherin gemeinsam mit meinem Mann und unseren Kindern. Denn zu wunderbar schien uns, was dort war, in und rund um den Riegelhof, um es wortlos zu konsumieren. Von Mal zu Mal waren wir tiefer berührt, beglückter, beheimateter, irgendwie. Unser Wunsch, aus all den Eindrücken dort ein Buch zu machen, fand Wolfgang Stummers wohlwollende Zustimmung, mehr noch, freudige Anteilnahme sogar. Geduldig und großzügig ließ er uns Einblick nehmen in sein Familienarchiv, erklärte, erzählte, ergänzte, ließ uns fotografieren, was wir wollten, nicht ohne die Technik der neuen Fotoapparate von Herzen zu bestaunen.

Besonders beeindruckt hat mich ein Besuch, bei dem ich nicht nur die besten gebratenen Forellen der Welt serviert bekam, sondern wo ich Stunden lang alle Fragen stellen durfte, die sich mir in den Kopf drängten.

Er war mein großväterlicher Freund und ich möchte ihm hier unsere große Traurigkeit darüber nachrufen, dass er nicht mehr lebt, und unsere große Freude darüber, dass wir ihn erleben durfte.

Claudia Girardi

 

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